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5.6 Jugend und Familie

Defizite der Normsetzung

Seit zwei Jahren ist die Frist abgelaufen, innerhalb derer die Senatsverwaltung für Jugend und Familie gesetzlich verpflichtet war, durch Rechtsverordnung die Datenverarbeitung bei der Berechnung der Kostenbeteiligung der Eltern an der Betreuung ihrer Kinder in städtischen Kindergartenstätten und in Tagespflege zu regeln [136]. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb inzwischen alle anderen betroffenen Senatsverwaltungen dazu in der Lage waren, die vom Parlament vorgegebene Fristsetzung zum Erlaß bereichsspezifischer Rechtsverordnungen zum Datenschutz einzuhalten, nur die Senatsverwaltung für Jugend und Familie nicht.

Zur Begründung wies diese Verwaltung immer wieder auf bevorstehende "Umstrukturierungen" im Kita-Bereich hin, die die Ausarbeitung einer Rechtsverordnung noch nicht zugelassen hätten. Damit war wohl in erster Linie die Umsetzung des bundesrechtlich vorgeschriebenen Anspruchs auf einen Kindergartenplatz gemeint.

Es hätte sich also angeboten, bei den dazu erforderlichen landesgesetzlichen Regelungen auch das Problem der Datenverarbeitung für die Errechnung der Kostenbeteiligung mitzuregeln. Auch wenn der Gesetzgeber die Regelung zunächst auf den Verordnungsgeber verlagert hat, ist es ihm unbenommen, die Materie in einem späteren Gesetz selbst zu regeln.

Diese Möglichkeit bot sich der Jugendverwaltung bei der Vorbereitung des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege (Kita-Gesetz), mit dem der im Kinder und Jugendhilfegesetz garantierte (SGB VIII) Anspruch auf einen Kindergartenplatz landesrechtlich umgesetzt werden sollte. Die Chance wurde allerdings nicht genutzt. Ohne daß wir im Entwurfsstadium von der Verwaltung um Rat gefragt worden wären, wurde das Kita-Gesetz am 19. Oktober 1995 im Parlament verabschiedet und trat am 1. Januar 1996 in Kraft [137].

Prompt führte dieses Gesetz zu datenschutzrechtlichen Problemen, weil versäumt worden ist, die Datenverarbeitung bei der Feststellung des Bedarfs an Ganztagsplätzen mit der gebotenen Klarheit zu regeln. Der Bundesgesetzgeber hat jedem Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an einen Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens zugestanden. Nur für Kinder im Alter bis zu drei Jahren und für schulpflichtige Kinder sind nach Bedarf Plätze in Tageseinrichtungen vorbehalten (§ 24 SGB VIII).Kinder unter drei Jahren sollten außerdem halbtags in den Kindergarten aufgenommen werden, wenn ihre Zurückweisung eine besondere Härte bedeuten würde. Um den generellen Anspruch für alle Kinder ab drei Jahren auf einen Halbtagsplatz im Kindergarten ab dem 1. August 1996 verwirklichen zu können, war die Senatsjugendverwaltung bestrebt, "herauszufinden", welche Eltern die Ganztagsplätze, die sie für ihre Kinder bisher in Anspruch nahmen, auch tatsächlich voll oder nur teilweise nutzen und in welchen Fällen eine besondere Härte vorliegt, wenn ein Kind unter drei Jahren nicht einmal halbtags in den Kindergarten aufgenommen wird.

Seitenanfang Dazu wurde ein umfangreicher Fragebogen "Anmeldung zur Tagesbetreuung" entwickelt, den die Eltern ausgefüllt an die Jugendämter zurückgeben sollten. Er sorgte unter den Befragten für erhebliche Unruhe.

Die Erhebung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Anmeldung eines Kindes im Kindergarten erfolgt grundsätzlich auf der Basis des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (§ 67 a), denn die Aufnahme in den Kindergarten ist eine Sozialleistung. Wer eine Sozialleistung in Anspruch nehmen will, ist zur Mitwirkung insofern verpflichtet, als er die erforderlichen Sozialdaten offenbaren muß, die die Behörde benötigt, um seine Berechtigung zu überprüfen. Die Angaben unterliegen dem Sozialgeheimnis. Verweigert er seine Mitwirkung, kann die Sozialleistung - unter bestimmten Voraussetzungen - in letzter Konsequenz versagt werden. Abgesehen davon, daß es versäumt worden war, im Erhebungsbogen der Jugendverwaltung auf diese Folge einer Auskunftsverweigerung hinzuweisen, bedarf die Rechtsgrundlage für die gesamte Datenerhebung der Präzisierung durch den Landesgesetzgeber. Es ist nach Bundesrecht Sache der Länder festzulegen, wie der Bedarf an Ganztagsbetreuung und das Vorliegen einer besonderen Härte ermittelt werden soll. Damit ist auch durch Landesrecht näher zu regeln, welche personenbezogenen Daten zu diesem Zweck erforderlich sind. Das Berliner Kita-Gesetz enthält solche Regelungen nicht, obwohl es ohne weiteres möglich gewesen wäre, einen entsprechenden Kriterien- und Datenkatalog in das Gesetz aufzunehmen. Da dies versäumt worden ist, muß es unverzüglich im Rahmen der Rechtsverordnung nachgeholt werden, die aufgrund des Kita-Gesetzes zur Personalbemessung noch ergehen muß. Auch in diesem Rahmen ist der Bedarf der Kinder ein wesentlicher Anknüpfungspunkt.

Auch einzelne Fragen im Anmeldungsbogen lösten verständlicherweise Mißtrauen bei den befragten Eltern aus. So wurde nach Namen, Anschrift und Telefon der Arbeitsstätten des Vaters und der Mutter gefragt. Wenn Zweck dieser Frage allein gewesen wäre, den Eltern - wenn möglich - einen Kindergartenplatz für ihr Kind in der Nähe des Arbeitsplatzes zuzuweisen, so hätte es ausgereicht, nach der Straße und dem Bezirk zu fragen. So aber entstand zwangsläufig der Eindruck, die Jugendämter würden die Angaben der Eltern hinter deren Rücken beim Arbeitgeber überprüfen. Wir haben deutlich gemacht, daß dies als rechtswidrig zu beanstanden gewesen wäre und hinsichtlich der Gestaltung des letzten bis zum Redaktionsschluß dieses Berichts vorliegenden Anmeldungsformulars einen datenschutzrechtlichen Mangel festgestellt.

Vertrauen in der Jugendhilfe

Von 1990 bis Juli 1994 wurde in einer Stelle des Jugendnotdienstes (JND) regelmäßig in Telefonbüchern festgehalten, welche hilfesuchenden Personen dort angerufen hatten. Im einzelnen wurden der Name des Anrufers, der Name des angerufenen Mitarbeiters sowie Datum und Uhrzeit der Verbindung notiert. Privatgespräche der Mitarbeiter wurden nicht aufgeschrieben.

Die Erhebung und Speicherung der Verbindungsdaten zwischen den hilfesuchenden Personen und dem Fachpersonal des JND im Zeitraum von 1990 bis Mitte 1994 und vermutlich noch über diesen Zeitraum stellt einen Verstoß gegen die Vorschriften des Sozialgesetzbuches (§ 67ff SGB X) dar. Jede Speicherung dieser Daten hätte nur auf gesetzlicher Grundlage oder aufgrund der Einwilligung des Anrufers erfolgen dürfen. Eine allgemeine Rechtsgrundlage für die Erhebung und Speicherung von Verbindungsdaten beim Telefonverkehr ist nicht ersichtlich. Auch eine konkludente Einwilligung wegen des Hilfewunsches konnte aufgrund der als vertraulich einzustufenden Anrufe nicht angenommen werden. Im Hinblick auf die besondere Vertrauensbeziehung zwischen den hilfesuchenden Personen zu dem Fachpersonal des JND (§ 203 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 StGB) waren zudem alle Maßnahmen zu unterlassen, die das Fachpersonal in Konflikt mit ihrer Geheimhaltungspflicht bringen konnten. Hintergrund der Praxis war, daß die im Jugendnotdienst verwendete Telefonanlage in einem derart desolatem Zustand war, daß der Abbruch von Verbindungen zu befürchten war, da die technische Vermittlung sowie die Nebenstellenanlagen oft nicht funktionierten und deshalb die zuverlässige soziale Beratung nicht immer gewährleistet war. Mit den unzulässigen Datenspeicherungen versuchte man sich zu behelfen. Die Mitarbeiter hatten selbst den Mangel erkannt und auf Beseitigung gedrungen. Die Telefonanlage ist zwischenzeitlich erneuert, die Vernichtungsprotokolle der unzulässig erhobenen Daten wurden uns vorgelegt.

Eine Pflegemutter bewarb sich bei ihrem zuständigen Bezirksamt um eine Pflegestelle für Kinder. Aufgrund der Angabe eines früheren Wohnsitzes der Antragstellerin stellte das Bezirksamt Erkundigungen beim Jugendamt des früheren Wohnbezirkes an, um die Geeignetheit der Antragstellerin zu überprüfen. Dabei ergab sich, daß diese selbst in ihrem früheren Wohnbezirk Betreuungsdienste in Anspruch genommen hatte und daß aufgrund der besonderen Umstände nicht von einer Geeignetheit im Sinne des § 44 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) ausgegangen werden konnte. Obwohl zur Zeit der Antragstellung bei der betroffenen Frau große Hoffnungen auf die Zustimmung des Amtes entstanden waren, erhielt sie zum Schluß eine Ablehnung mit Hinweis auf den früheren Betreuungstatbestand.

Die Irritation der Antragstellerin und ihre verständliche Enttäuschung wären vermeidbar gewesen, wenn sie von vornherein über die notwendige Prüfung der Geeignetheit durch eine Nachfrage beim früheren Wohnbezirk informiert worden wäre. Der Fall zeigt, daß nicht nur hier, sondern auch in anderen Bereichen der sozialstaatlichen Verwaltung Hilfeempfänger und Antragsteller mehr als früher über die gesetzlich geregelten und tatsächlich praktizierten Datenübermittlungen oder Datenabgleiche informiert werden müssen. Schon durch eine solche Information kann nicht nur erhebliche Verwaltungsarbeit vermieden werden, sondern auch der Bürger davor geschützt werden, sich leichtfertig in Situationen zu begeben, die ihn in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen und zu einer weiteren Verbreitung nachteiliger Informationen, nämlich bei der ersuchten und bei der ersuchenden Stelle führen müssen.

5.7 Justiz

Lauschinformationen gestoppt

Ein Hochschulprofessor hatte Verfassungsbeschwerde sowie einen Antrag auf Einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht gegen einige Regelungen des am 1. Dezember 1994 in Kraft getretenen Verbrechensbekämpfungsgesetzes [138] eingelegt. Er hatte sich insbesondere gegen eine Regelung gewandt, nach der auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes bei bestimmten Straftaten das Fernmeldegeheimnis aufgehoben werden und der Bundesnachrichtendienst (BND) zu diesem Zweck mit Suchbegriffen den Fernmeldeverkehr abhören darf. Durch seine beruflichen Kontakte in das Ausland befürchtete er, daß seine Ferngespräche mit ausländischen Kollegen vom BND aufgezeichnet werden würden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 5. Juli 1995 über den Eilantrag [139] die Befugnis des BND zur Verwertung und Weitergabe von beim Abhören erlangten Daten auf die Fälle beschränkt, in denen der Verdacht einer Straftat besteht. Damit hat das Bundesverfassungericht klargestellt, daß es für die Weiterleitung von Fernmeldeaufzeichnungen an die Staatsanwaltschaft nicht - wie im Verbrechensbekämpfungsgesetz geregelt - ausreicht, daß tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht einer Straftat begründen, sondern diese nur dann übermittelt werden dürfen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Straftat begründen. In der Hauptsacheentscheidung wird das Bundesverfassungsgericht auch über die Frage entscheiden, inwieweit der Kläger durch die Fernmeldeaufzeichnung mit Hilfe von Suchbegriffen in seinen Grundrechten verletzt wird. Dabei wird das Bundesverfassungsgericht zu klären haben, inwieweit die im Verbrechensbekämpfungsgesetz geregelte Ausdehnung der Fernmeldeüberwachung auf Tatbestände, die auch die innere Sicherheit der Bundesrepublik berühren, noch mit der Verfassung vereinbar ist. Es wird insbesondere auch zu der Frage der Aufhebung des Trennungsgebotes von Nachrichtendienst und Polizei, das verfassungsrechtlichen Rang hat, Stellung nehmen.

Justiz: Schlußlicht der Datenschutzgesetzgebung

Das letzte Mal hatten wir in unserem Jahresbericht 1993 über den Entwurf eines Justizmitteilungsgesetzes berichtet [140]. Der Entwurf eines Gesetzes über Mitteilungen der Justiz von Amts wegen in Zivil- und Strafsachen (JuMiG) [141] war jedoch vom letzten Deutschen Bundestag nicht mehr beraten worden, so daß auch heute noch gesetzliche Regelungen der Mitteilungen im Justizbereich fehlen. Das Bundesjustizministerium sieht die Schaffung gesetzlicher Regelungen inzwischen als eilbedürftig an und hat einen neuen Gesetzentwurf vorbereitet. Gegenüber dem vorangegangenen Entwurf sollen zwei datenschutzrechtlich wesentliche Punkte geändert werden:

  • Dem Betroffenen ist nur auf Antrag Auskunft über den Inhalt und den Empfänger der übermittelten Daten zu erteilen. Eine Unterrichtung von Amts wegen ist nur in gesetzlich geregelten Fällen vorgesehen, die lediglich einen kleinen Teil der Datenübermittlungen ausmachen.
  • Die Mitteilungsbefugnisse sollen in einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium der Justiz geregelt werden.

Eine Regelung, die die Unterrichtung des Betroffenen von Amts wegen zur Ausnahme macht und eine konkrete Benennung der Übermittlungspflichten durch Rechtsverordnung vorsieht, wird dem Volkszählungsurteil nicht gerecht, nach dem jeder Bürger wissen können muß, "wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß" [142]. Der Bürger muß im Einzelfall wissen, ob personenbezogene Daten von der Justiz und an welche Stellen sie übermittelt worden sind. Eine Regelung der Übermittlungspflichten durch Rechtsverordnung würde diesem Erfordernis nur dann gerecht werden können, wenn die Voraussetzungen für eine Datenübermittlung dort ohne Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe geregelt würden. Aber auch dann bleibt die Benachrichtigungspflicht die datenschutzfreundlichste Lösung, da nur sie gewährleistet, daß der Betroffene überhaupt von Übermittlungen erfährt. Die eilige Wiederaufnahme des Gesetzgebungsvorhabens darf nicht dazu führen, daß den datenschutzrechtlichen Belangen nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Nachdem das Justizmitteilungsgesetz schon so lange erwartet wird, darf es jetzt nicht zu einem "datenschutzrechtlichen Schnellschuß" werden.

1994 hatten die Länder dem Bundesrat den Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes 1994 [143], zugeleitet, der die notwendigen datenschutzrechtlichen Regelungen im Strafverfahrensrecht schaffen sollte, aber zu weitgehende Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zuließ. Dieser Gesetzentwurf hat offensichtlich keine Aussicht, vom Parlament verabschiedet zu werden, da die Bundesregierung auf eine Stellungnahme verzichtet und stattdessen einen eigenen Gesetzentwurf angekündigt hat, der noch immer nicht vorliegt. Wir hoffen sehr, in unserem nächsten Jahresbericht über einen Fortschritt dieses dringenden Gesetzgebungsvorhabens berichten zu können.

Sensible Daten in Urteilen

Wenn das Familiengericht die Ehescheidung ausgesprochen hat, erhalten die Parteien ein Scheidungsurteil zugestellt, das in seinem Urteilstenor die einzelnen Entscheidungen des Gerichtes - wie beispielsweise den Scheidungsausspruch, die Entscheidung über die elterliche Sorge oder den Versorgungsausgleich - enthält. Das Urteil enthält außerdem den Tatbestand mit vielen persönlichen Daten und die Entscheidungsgründe. Nach der Scheidung verlangen zahlreiche Behörden und sonstige Stellen (Meldebehörde, Standesamt, Finanzamt, Arbeitgeber etc.) von den Betroffenen die Vorlage des Scheidungsurteils mit allen darin enthaltenen Daten.

Bei der Übersendung des vollständigen "Ehescheidungsverbundurteils" werden den einzelnen Stellen immer auch Daten übermittelt, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben nicht benötigen. In den meisten Fällen würde der jeweiligen Stelle für ihre Aufgabenerfüllung auch ein Auszug aus dem Urteilstenor ausreichen. Die Parteien wissen dies jedoch in der Regel nicht und legen aus Unkenntnis immer wieder das vollständige Urteil vor. Da die Partei nach Beendigung des Ehescheidungsverfahrens nicht mehr anwaltlich vertreten ist, hatten wir bei der Senatsverwaltung für Justiz angeregt, den Parteien zusammen mit der Versendung des Urteils ein Merkblatt zuzusenden, das auf die Möglichkeit hinweist, daß für die verschiedenen Vorlagezwecke Auszüge aus dem Ehescheidungsverbundurteil angefertigt werden können.

Unsere Anregung ist von der Senatsverwaltung für Justiz leider nicht aufgegriffen worden. Sie hält ein solches Merkblatt für die Parteien nicht für erforderlich, da in vielen Fällen geschwärzte Kopien zur Vorlage bei den Stellen ausreichen würden und kein weiterer Nachweis verlangt würde. In anderen Bundesländern ist der Vorschlag eines Merkblattes für die Parteien im Scheidungsverfahren dagegen aufgegriffen worden.

Wenn eine gerichtliche Entscheidung über das Bestehen - oder Nichtbestehen - eines Eltern- oder Kindschaftsverhältnisses ergangen ist, wird dem zuständigen Standesamt immer dann ein vollständiges Urteil übermittelt, wenn eine Eintragung im Personenstandsbuch erforderlich ist. Durch die Übersendung des vollständigen Urteils erhält das zuständige Standesamt Daten, die weit über den erforderlichen Umfang hinausgehen und besonders sensibel sind, da sie den internen Bereich der Familie betreffen.

Eine vollständige Urteilsübermittlung an das Standesamt ist in diesen Fällen nicht erforderlich, da das Standesamt für seine Aufgabenerfüllung diesen Datenumfang nicht benötigt. Der Erforderlichkeitsgrundsatz ist auch bei der Anwendung der Verwaltungsvorschrift "Mitteilungen in Zivilsachen" heranzuziehen, die in Berlin übergangsweise einer gesetzlichen Regelung gleichgestellt sind [144] und in VIII/1 eine Datenübermittlung an die Standesämter vorsehen. Auch die Senatsverwaltung für Inneres hat uns bestätigt, daß bei der überwiegenden Zahl der mitzuteilenden Entscheidungen die Übersendung einer Urteilsausfertigung ohne vollständigen Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe in Verbindung mit den Angaben im jeweiligen Mitteilungsvordruck für die Aufgabenerfüllung des Standesbeamten ausreichend sei. Damit reichen in den meisten Fällen die Angabe des Familiennamens, des Vornamens, der Anschrift, des Ortes und Tages der Geburt, des Familienstandes, der Staatsangehörigkeit und der Eheschließung der Mutter aus.

Die Senatsverwaltung für Justiz hat uns hierzu mitgeteilt, daß der von uns gewünschten Beschränkung der Mitteilungspflicht aus ihrer Sicht keine durchschlagenden Bedenken entgegenstehen würden. Wenn die Senatsverwaltung für Inneres ihre Zustimmung als zuständige Behörde für das Personenstandswesen erteilt, will die Senatsverwaltung für Justiz bei dem federführenden Bayerischen Justizministerium eine Änderung der bundeseinheitlichen Mitteilungen in Zivilsachen vorschlagen.

Unabhängig davon sollte aber bereits jetzt der Umfang der übermittelten Daten auf der erforderliche Maß reduziert werden.

Post von der Staatsanwaltschaft

Eine Hochschule wunderte sich, als sie von der Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift erhielt, bei der die Angeklagte zum einen nicht Mitglied der Hochschule war. Die Anklageschrift enthielt außer den Daten der Angeklagten zum anderen auch Daten der Mitangeklagten und Zeugen. Aus einem Anschreiben zu der Anklageschrift konnte die Hochschule ersehen, daß es sich um eine Mitteilung nach der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) handeln sollte.

Im vorliegenden Fall war die Anklageschrift an die Hochschule übermittelt worden, ohne daß die Voraussetzungen für eine Übermittlung vorlagen. Nach Nr. 28 MiStra sind in Strafsachen gegen Studierende von Hochschulen nur bestimmte rechtskräftige Entscheidungen mitzuteilen. Eine Mitteilung der Anklageschrift war bereits deshalb unzulässig. Eine Mitteilung rechtskräftiger Entscheidungen in Strafsachen gegen Studierende von Hochschulen, Höheren Fachschulen oder Fachakademien ist darüber hinaus nur in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein zulässig. In Berlin hätte daher auch ein Urteil der Hochschule nicht übermittelt werden dürfen.

Auf unsere Beanstandung hin hat die Senatsverwaltung für Justiz bestätigt, daß die Datenübermittlung unzulässig war. Die Problematik, inwieweit Daten Dritter bei Mitteilungen nach MiStra übermittelt werden dürfen, wird wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung auch für andere Mitteilungstatbestände der MiStra bei der Senatsverwaltung für Justiz noch diskutiert.

Leider ist in diesem Zusammenang auch zu berichten, daß Mitteilungen in Strafsachen immer wieder offen versandt werden, obwohl die MiStra eine Versendung in einem verschlossenen Umschlag und unter Verwendung eines grünen Klebezettels, auf dem u.a. auch "Vertraulich, Verschlossen" zu stehen hat, zu erfolgen hat. Nach § 5 Abs. 2 BlnDSG sind zudem bei dem Transport auch von Schriftstücken die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Zugriff Unbefugter zu unterbinden. Auch Irrläufer sind bei der offenen Versendung keine Seltenheit gewesen.

Die Senatsverwaltung für Justiz hat uns als Maßnahmen gegen diese datenschutzrechtlichen Mängel mitgeteilt, daß in Zukunft bei der Versendung geheimhaltungsbedürftiger personenbezogener Daten mehr Stichproben, Untersuchungen und Kontrollen durchgeführt werden sollen. Daneben soll eine regelmäßige Belehrung der Mitarbeiter durchgeführt werden. Bei der Staatsanwaltschaft I sind die Kanzleien noch einmal darauf hingewiesen worden, daß bei Mitteilungen in Strafsachen der Hinweis "Verschlossen, Vertraulich" auf dem Schriftstück anzubringen und rot zu unterstreichen sei.

Opferschutz durch Zeugenschutz

Seit einiger Zeit erhalten wir vermehrt Anfragen von Bürgern und öffentlichen Bediensteten zu der Handhabung der Zeugenschutzregelungen der Strafprozeßordnung. Die Bürger fragen an, ob es zulässig ist, daß dem Angeklagten ihre Adresse (als Zeugen im Verfahren) mitgeteilt wird. Insbesondere bei Körperverletzungsdelikten besteht bei vielen Bürgern Angst vor Belästigungen oder Repressalien durch den Angeklagten.

Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität sind in die Strafprozeßordnung (StPO) zusätzliche Zeugenschutzregelungen aufgenommen worden. Nach § 68 Abs. 2 StPO kann einem gefährdeten Zeugen generell im strafrechtlichen Verfahren (also auch bei staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen [145]) gestattet werden, statt des Wohnortes seine Dienst- oder Geschäftsanschrift oder eine besondere, ladungsfähige Anschrift anzugeben, wenn Anlaß zu der Besorgnis besteht, daß durch die Angabe des Wohnortes der Zeuge oder eine andere Person gefährdet werden.

Eine Gefährdung ist nicht bereits dann zu besorgen, wenn bloße Belästigungen - wie Telefonanrufe oder fingierte Warensendungen - befürchtet werden. Sie ist z.B. gegeben, wenn schon ein früherer Anschlag auf den Zeugen oder einen Dritten erfolgt oder angedroht worden ist und dies mit den Bekundungen des Zeugen im gegenwärtigen Verfahren zusammenhängt. Die Gefährdung kann sich aber auch aufgrund kriminalistischer Anhaltspunkte, kriminologischer Erfahrungen oder der Lebenserfahrung ergeben. Dies dürfte insbesondere in Verfahren der organisierten Kriminalität der Fall sein. Ob eine Gefährdung vorliegt, ist jedoch immer im Einzelfall zu entscheiden.

Auch in der Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 StPO) und der Namhaftmachung der Zeugen durch das Gericht gemäß § 222 Abs. 1 StPO genügt in den Fällen, in denen ein Zeuge konkret gefährdet ist, die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, die nicht die Wohnanschrift des Zeugen sein muß.

Die Möglichkeit, daß ein Täter die Anschrift eines Zeugen erfährt, kann dennoch nicht ausgeschlossen werden. Die Anschrift des Zeugen kann sich in der strafrechtlichen Ermittlungsakte befinden, in die der Verteidiger des Beschuldigten nach § 147 StPO einsehen kann. Der Angeklagte oder Beschuldigte könnte daher über seinen Verteidiger die Anschrift des Zeugen erfahren.

Auf die Angabe von Vor- und Zunamen eines Zeugen kann in der Regel nicht verzichtet werden. Hier ist zu bedenken, daß zur Verteidigung für einen Beschuldigten die Kenntnis der Beweismittel zur Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugen notwendig ist, und hierzu gehören auch die Zeugen.

Eine Geheimhaltung der Identität des Zeugen, d.h. auch des Namens des Zeugen, ist unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 StPO möglich. Dies setzt einen Anlaß zur Besorgnis einer konkreten Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person voraus. Der Gesetzgeber hat hier insbesondere an Verfahren der Betäubungsmittel- oder sonstigen organisierten Kriminalität gedacht. Liegt ein Anlaß zur Besorgnis einer konkreten Gefährdung vor, muß der Zeuge keine Angaben zu seiner Identität machen. Er muß in der Hauptverhandlung jedoch auf Befragen angeben, in welcher Eigenschaft ihm die Tatsachen, die er begründet, bekanntgeworden sind. In diesem Fall dürften auch die Angaben zur Identität des Zeugen nicht zu strafrechtlichen Ermittlungsakten genommen werden, so daß auch der Verteidiger des Beschuldigten bei der Akteneinsicht die Identität dieser erheblich gefährdeten Zeugen nicht erfährt.

Das Gericht kann zudem nach § 247 StPO anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für die Gesundheit dieser Person besteht. Über die Anordnung der Entfernung des Angeklagten in der Hauptverhandlung entscheidet das Gericht.

Die Zeugenschutzregelungen regeln nicht den häufigen Fall, daß das Opfer eines Körperverletzungsdeliktes Angst vor Repressalien durch den Täter hat und deshalb bei Vernehmungen seine Wohnanschrift nicht angeben will. Bei den an uns gerichteten Anfragen handelte es sich oftmals auch um jugendliche Opfer. In diesen Fällen wäre es Sache des Gesetzgebers, eine Lösung des Konfliktes zwischen Opfer- bzw. Zeugenschutz und den Verfahrensrechten des Angeklagten zu finden. Die Senatsverwaltung für Justiz hält eine besondere Regelung für jugendliche Opfer für entbehrlich, da die bestehenden Zeugenschutzregelungen nicht an das Alter der zu schützenden Person anknüpfen.

Auf eine Zeugenschutzmöglichkeit, die in der Praxis auch genutzt wird, wollen wir an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich hinweisen: Bei Mitarbeitern des Landes Berlin, die in ihrer Mitarbeiterfunktion als Zeuge vor Gericht aussagen sollen, besteht die Möglichkeit, statt des Wohnortes den Dienstort gegenüber der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft anzugeben (§ 68 Abs. 1 Satz 2 StPO). Wir haben den Polizeipräsidenten in Berlin gebeten, die Betroffenen hierauf hinzuweisen.

Zulassung von Rechtsanwälten

Ein Bürger beantragte bei der Senatsverwaltung für Justiz die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Auf den Antragsunterlagen kreuzte er bei der Frage nach Vorstrafen das Feld "Nein" an. Als der von der Senatsverwaltung angeforderte unbeschränkte Bundeszentralregisterauszug eintraf, stellte sich heraus, daß im Bundeszentralregister noch Vorstrafen eingetragen waren. Daraufhin forderte die Senatsverwaltung auch die Strafurteile bei den Gerichten an. Sowohl den Bundeszentralregisterauszug in Kopie als auch zwei Strafakten übersandte die Justizverwaltung an die Rechtsanwaltskammer, die im Rechtsanwaltszulassungsverfahren ein Gutachten abzugeben hat.

Im Rechtsanwaltszulassungsverfahren wird bei jedem Antragsteller eine unbeschränkte Bundeszentralregisterauskunft eingeholt. Auf dem Fragebogen des Antragsformulares wird der Antragsteller darauf hingewiesen, daß die Landesjustizverwaltung nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) ein Recht auf unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister hat. Da § 41 Abs. 1 Nr. 2 BZRG keine Erhebungsbefugnis für oberste Landesbehörden darstellt, kann die Datenerhebung allein an § 36 a Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gemessen werden. Nach dieser Vorschrift sind nur die erforderlichen Beweismittel heranzuziehen, und der Bewerber hat sein Einverständnis in die Verwendung von Beweismitteln zu erklären, wenn sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen ist. Die Einholung eines unbeschränkten BZR-Auszuges muß daher im Einzelfall für die Antragsbearbeitung erforderlich sein. Dies ist hier nicht der Fall, denn selbst für die Prüfung der Würdigkeit des Antragstellers (§ 7 BRAO) reicht die Einholung eines Führungszeugnisses aus, das die schwerwiegenden Straftaten enthält und das der Antragsteller nach § 30 BZRG selbst beantragen soll. Die Anforderung eines Führungszeugnisses stünde auch im Einklang mit einer Empfehlung der Senatsverwaltung für Inneres aus dem Jahr 1994, wonach die Einholung unbeschränkter Bundeszentralregisterauszüge auf Fälle mit erheblicher Bedeutung beschränkt und jedes Auskunftsersuchen entsprechend begründet werden sollte.

Auch die Anforderung der Strafakten halten wir für unzulässig. Da den Antragsteller bei einem ihn begünstigenden Verwaltungsakt eine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des Sachverhaltes trifft, muß er seine Zustimmung zur Verwendung von Beweismitteln erteilen, die unter das informationelle Selbsbestimmungsrecht fallen. Eine solche Zustimmung lag hier jedoch nicht vor. Da die Akten zudem erst nach Ablauf der Tilgungsfrist im BZR von den Gerichten übersandt worden sind, bestand für die Akten zum Zeitpunkt der Übermittlung bereits ein Verwertungsverbot.

Eine Befugnis für die Übermittlung des unbeschränkten Bundeszentralregisterauszuges und der Strafakten an die Rechtsanwaltskammer lag schon deshalb nicht vor, weil bereits die Erhebung der Daten unzulässig war. Wir haben der Senatsverwaltung empfohlen, in Zukunft auf die Einholung unbeschränkter Bundeszentralregisterauszüge zu verzichten und im übrigen das Einverständnis des Antragstellers zur Anforderung personenbezogener Daten des Antragstellers sowie zur Übermittlung der Daten an die Rechtsanwaltskammer einzuholen.

Zuletzt geΣndert:
am 08.02.97

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